Zu Beginn der neuen Turmuhr gab es schon einen schriftlichen Wartungsvertrag welcher zwischen meinem Großvater Rudolf Thaler, der Pfarre Feldkirch und der Stadt Feldkirch, 1924 abgeschlossen wurde. Ab 1945 war dann mein Vater Karl Thaler für alle Arbeiten am Uhrwerk zuständig. 1968, unmittelbar nach meiner Ausbildung zum Uhrmacher habe ich die Wartung der Turmuhr weitergeführt. Parallel dazu unterstützte mich einige Jahre noch die Herstellerfirma Philipp Hörz bei der Arbeit, anschließend wurde das jährliche Service wieder von mir übernommen.
Unser „E500d“ ist das größte serienmäßig hergestellten Uhrwerk von der weltbekannten Turmuhrfabrik Philipp Hörz aus Ulm. Es wurde weltweit nur etwa 20-mal gebaut, u. a. auch für das Ulmer Münster.
Die Stadt Feldkirch legte vor 100 Jahren 80Mio Kronen für das neue Uhrwerk aus und tilgte es in 10-Jahresraten.
Unser Uhrwerk in Feldkirch entstand zudem in einer Sonderausführung:
Das 4/4 - Doppelstundenschlagwerk mit Schlussscheibe wurde schon damals mit einer elektrischen Hauptuhrfunktion, (sie steuert auch heute noch die alte Nebenuhr in der Sakristei) ausgestattet.
Das Werk hat weiters einen „Konstante Kraft“ Antrieb,
ein original „Riefler“ Nickelstahl-Kompensationspendel und
vier Planetenradgetriebe für einen unterbrechungsfreien Antrieb während des Aufzuges der 4 Gewichte, welche damals schon mit einem Elektromotor aufgezogen wurden.
Als weitere Neuheit von damals waren die Zahnräder aus einer Messinglegierung, vorher waren sie meist aus Stahl gefertigt worden.
Ab 1983 wurde das Uhrwerk unter Beibehaltung aller mechanischen Funktionen mit einer DCF77 Funksteuerung für genaue Uhrzeit und aut. Umstellung von Sommer/Winterzeit, ergänzt welche 2018 auf GPS-Steuerung aktualisiert wurde.
Das Uhrwerk läuft auch heute noch, nach 100Jahren im Dauerbetrieb, wahlweise rein mechanisch, wie im „Urzustand“ von 1924 oder mechanisch mit GPS-gesteuert, weiter.
Die Feldkircher Turmuhr ist mittlerweile zu einem bedeutenden Stück der Technikgeschichte von historischem Wert geworden.
Mittlerweile sind leider schon die meisten mechanischen Turmuhren stillgelegt worden, weil sie entweder verschlissen sind oder man sich den Aufwand zur Erhaltung bzw. Restaurierung nicht leisten konnte oder wollte. Diese Werke wurden dann durch kostengünstigere und genauer gehende elektronische Varianten ersetzt.
Vor der Anschaffung der Hörz-Turmuhr (1924) verrichtete eine alte schmiedeeiserne Turmuhr aus dem 17. Jhd. Ihren Dienst in der Feldkircher Stadtpfarrkirche. Wie aus Aufzeichnungen zu erfahren war, funktionierte dieses reparaturanfällige Uhrwerk mehr schlecht als recht. Das Vbg. Volksblatt schreibt am 14. April 1907 mit der Überschrift „Kirchturm-Elend“ über die wahren Umstände und über den Frust der Bevölkerung über diesen „zeitlichen Notstand“ in Feldkirch. „Der Steuerzahler des 20. Jahrhunderts hätte ein Anrecht auf eine zuverlässige und genaue Uhrzeit“ war dort zu lesen.
Die Turmuhr in der Stadtpfarrkirche war ja schließlich bis Anfang 20. Jhd. für die „amtliche Uhrzeit“ der Stadt zuständig. Die andere öffentliche Uhr in der Johanneskirche ging meist etwas schneller und war der Stadtpfarrkirchen-Uhr um etwa 30min. voraus. Dies ergab dann auch erwartungsgemäß größere Probleme mit der Unterrichtszeit vom angeschlossenem Johanniter-Gymnasium als auch anderen wichtigen Diensten der Stadt Feldkirch.
Aber nicht nur im städtischen Bereich gab es große Zeitdifferenzen, wie der Astronom
Dr. Helmut Sonderegger berichtete, auch landesweit sowie auch international gab es ein richtiges „Zeitchaos“ mit den verschiedensten Uhrzeiten, welches dann erst 1911, als sich die MEZ endgültig durchgesetzt hatte, beendet wurde.
1955 kam es zum, glücklicherweise einzigen großen „Crash“ bei der Turmuhr. Eine Sperre der Luftbremse (Windfang) versagte und das Uhrwerk drehte ungehemmt immer schneller und schneller und wurde, normalerweise gewollt, schlagartig abgebremst. Dies gab einen großen Schaden im Uhrwerk. Zudem riss das Drahtseil eines schweren Gewichtes, worauf die Masse von etwa 50Kg im freien Fall über 2 Stockwerke fiel, den Boden durchschlug und im darunterliegenden Ministrantenzimmer die Eckbank zertrümmerte. Hier half nur Gottes Segen dass ein größeres Unglück verhindert wurde.
Es ist immer ein besonderes Erlebnis, in so altem Gemäuer und Gebälk unterwegs zu sein, wo Jahrhunderte ihre Spuren hinterlassen haben. Vor allem der untere alte Glockenstuhl aus Eichenholz könnte Bände erzählen, welcher nach dem großen Stadtbrand von 1697 aus Teilen von nicht mehr benötigten alten Torkeln (Weinpressen) entstanden ist.
Meine Arbeiten im Turm waren früher hauptsächlich auf das fallweise Wechseln der durchgebrannten Glühlampen hinter dem Zifferblatt beschränkt.
Bei den Glocken sind heute Kontrollgänge ausreichend, da das Geläute regelmäßig von Fachfirmen gewartet wird.
Ein größeres Problem waren lange Zeit die herumfliegenden und letztlich verendeten Tauben und Singvögel, welche den Turm arg verschmutzen und immer wieder einen hohen und unangenehmen Reinigungsaufwand erforderten. Das damit verbundene tierische Elend konnte mittlerweile durch das Anbringen von Taubengittern und konsequentes Schließen aller Luken beendet werden.